Freitag, 20. September 2013

Die Top drei des Wahlkampfes

Von unserem Korrespondenten Rudi Wais, Berlin

Große Koalition, ick hör Dir tapsen! So pfleglich wie in der Berliner  Runde am Donnerstagabend hat Sigmar Gabriel Ursula von der Leyen schon lange nicht mehr behandelt.  Kein Wunder: Wer weiß schon, ob man sich demnächst am Kabinettstisch nicht gegenüber sitzt, er als Vizekanzler und Superminister für Umwelt und Energie,  sie  womöglich als Außenministerin.
Am Ende eines Wahlkampfes,  der sich lange Zeit eher lustlos dahinschleppte und erst nach dem TV-Duell Anfang des Monats Fahrt aufnahm,  geht eben auch mit uns Korrespondenten die Phantasie durch. Wir spekulieren, wer was wird, suchen nach Indizien für anstehende Beförderungen oder drohende Karriereknicks - und küren, ganz nebenbei, schnell noch unsere ganz persönlichen Top drei dieses Wahlkampfes.

Peer Steinbrück: Als Finanzminister ein verlässlicher, aber eher spröder Typ, als Wahlkämpfer eine Wucht.  Temperamentvoll, unterhaltsam, erfrischend direkt. Anders als die Kanzlerin, die auf großen Bühnen routiniert ihre Reden herunter spulte, stand der Kandidat der SPD mitten im Publikum, wie ein Boxer im Ring. Gut, den Stinkefinger hätte es nicht gebraucht. Eines allerdings war uns
in dem einen Jahr mit Peer Steinbrück als Herausforderer nie: langweilig.  

Ursula von der Leyen:  Nicht erst seit dem Streit um die Frauenquote steht sie in der Union im Verdacht, eine verkappte Sozialdemokratin zu sein.  Im Wahlkampf allerdings war sie das sympathische Gesicht der CDU.  Mal tätschelte sie Gesundheitsminister Daniel Bahr mütterlich den Arm, mal  umgarnte sie sie Gabriel, als führe sie schon Verhandlungen über eine Große Koalition. Mag sein, dass sie nie Kanzlerin wird - als Außenministerin aber können wir sie uns ebenso gut vorstellen wie als EU-Kommissarin.

Gregor Gysi:  Zwei Herzinfarkte, eine Gehirnoperation, danach noch ein Herzinfarkt - aber eine Energie wie ein Mittdreißiger! Man muss kein Freund der Linkspartei sein, um Gysi gut zu finden.  Eloquent, witzig und schon deshalb ein wohltuendes Kontrastprogramm zur  miesepetrigen Sahra Wagenknecht: Wenn Politik auch Entertainment ist, dann ist Gregor Gysi der Thomas
Gottschalk der deutschen Politik. Dass die Linke nach einen schweren Durchhänger in den Umfragen teilweise schon wieder zweistellig ist, hat sie alleine ihm zu verdanken.  

Und der Wähler, das unbekannte Wesen? Der ist offenbar gar nicht so sprunghaft und unentschlossen wie uns die Demoskopen gelegentlich weismachen wollen. Die jüngsten Umfragedaten jedenfalls unterscheiden sich nur unwesentlich von denen der letzten und der vorletzten Woche. In diesem Sinne: Wählen Sie, wen Sie wollen. Aber wählen Sie!

Donnerstag, 12. September 2013

Gute Redner, schlechte Redner

Von unserem Korrespondenten Martin Ferber

Er ist - trotz (oder gerade wegen?) seiner 65 Jahre - witzig und schlagfertig wie eh und je. Und es macht noch immer Spaß, ihm zuzuhören, auch wenn man politisch alles andere als seiner Meinung ist. Der gebürtige Berliner Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag und der unumstrittene "Superstar" seiner Partei, der als einziger in der Lage ist, den heterogenen Haufen zusammenzuhalten, kultiviert die typische Berliner Schnauze, frech und angriffslustig, nie um einen flotten Spruch verlegen, spontan und verständlich. Nun hat er es schwarz auf weiß vor sich: Er ist der beste politische Redner des Jahres 2013.
Das sagen die, die es wissen müssen: Die professionellen Redenschreiber vom "Verband der Redenschreiber deutscher Sprache VRdS".
Seit Juli hat ein Team von sechs Experten die Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien im so genannten Straßenwahlkampf begleitet und ihre jeweiligen Reden nach einem einheitlichen System analysiert. Punkte gab es für Aufbau und Struktur der Rede, für Sprache, Stil und Argumentation, außerdem für die Körpersprache, die Stimme, die Glaubwürdigkeit und die Inszenierung der Veranstaltung. Extrapunkte gab es für die Wirkung auf das Publikum vor Ort.
Ein überraschendes Ergebnis: Bundeskanzlerin Angela Merkel erhält von den Redenschreibern eine gute Bewertung. Dabei ist die Regierungschefin, wenn man sie über einen längeren Zeitraum erlebt, eine eher schlechte Rednerin, weder besonders witzig noch schlagfertig, eher dröge und langweilig, die noch dazu gerne zum Dozieren von oben herab neigt. Doch im Wahlkampf punktet sie nach Ansicht der Redenschreiber durch ihre unaufgeregte Art, sie wirke glaubwürdig und sachlich. Ihre Argumentation sei eher einfach, aber für die Zuhörer nachvollziehbar. Und vor allem bleibt sie, typisch Merkel, "bei entscheidenden Fragen präzise unbestimmt". Schöner und treffender könnten wir es auch nicht formulieren.
Wenig überraschend dagegen das Zeugnis, das die Profis dem SPD-Kanzlerkandidaten ausstellen. Peer Steinbrück, der sich als "Klartext-Peer" inszeniert und "klare Kante" zeigt, überzeuge durch großes und präzises Faktenwissen sowie eine klare und bilderreiche Sprache, auch wenn seine Auftritte "manchmal etwas Dozentenhaftes" hätten und reißerisch wirken, so das wenig schmeichelhafte Urteil der Redenschreiber. Zudem sei "die hohe Aggressivität nicht immer angemessen". Der Wähler mag's milder.
FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle liefert einen Wahlkampf, "wie man sich Wahlkampf vorstellt: emotional, engagiert, plakativ und aggressiv gegenüber dem politischen Gegner". Allerdings spreche er zu undeutlich, manchmal schreie er sogar übermäßig, gestikuliere aufgeregt und bleibe allzu gern beim Plakativen. Am schlechtesten schneidet Jürgen Trittin ab. Der Spitzenmann der Grünen halte oft "Brikettreden", urteilen die Profis, ohne zu sagen, was sie damit meinen, er springe von einem Thema zum nächsten, verfalle in ein Stakkato und hämmere seine Aussagen förmlich heraus. Dabei wirke er "agitatorisch und fast schon demagogisch".
Interessante Urteile, die sich weitestgehend mit unseren Erfahrungen und Erlebnissen decken. Und auch dem Fazit von Vazrik Bazil, dem Präsidenten des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache können wir nur voll und ganz zustimmen: "Wer Rednerinnen und Redner begreifen und einschätzen will, muss ihre Reden leibhaft hören. Politiker zum Anfassen und Wähler zum Anfassen - beide müssen sich direkt begegnen. Die virtuelle Welt ist eine beschnittene Welt. Es ist die reale Welt, in der Reden bewegen und berühren, überzeugen und führen." Wann, wenn nicht im Wahlkampf - nie sind Politiker näher am Volk und direkter zu erleben als in diesen Zeiten des demokratischen Hochamtes.

Montag, 9. September 2013

Politisches Vorspiel

Von unserem Korrespondenten Rudi Wais

Wer als Spitzenkandidat in einen Wahlkampf zieht, braucht Ehrgeiz, eine robuste Konstitution, - und jede Menge Geduld. Ein Mann wie Rainer Brüderle von der FDP zum Beispiel hält bei seinen 200 Auftritten ja nicht nur 200 mal die annähernd gleiche Rede. Er muss vor allen Dingen 200 mal darauf warten, dass er die Rede endlich halten darf. Und das ist weder für den Kandidaten noch für den Reporter, der ihn begleitet, ein Vergnügen.

Seit Jahrzehnten laufen Kundgebungen mit Spitzenpolitikern in Deutschland nach dem immer gleichen Muster ab. Erst begrüßt der Orts- oder Kreisvorsitzende die Anwesenden, und wenn die Anwesenden Pech haben, tun es sogar der Orts- und der Kreisvorsitzende. Danach ergreift der örtliche Kandidat das Wort, stellt sich kurz, gerne aber auch etwas länger vor - und weil seine Zuhörer natürlich wissen sollen, wofür er politisch steht, fasst er in etwas weniger Worten genau das schon einmal zusammen, was der prominente Hauptredner anschließend auch sagen wird.

Wenn dann nicht nur ein neuer Bundestag gewählt wird, sondern wie in Bayern und Hessen auch noch neue Landtage und neue Bezirksparlamente, kann das Vorspiel zu einer solchen Kundgebung fast solang dauern wie ein Fußballspiel - schließlich wollen auch die Bewerber für Landtag und Bezirkstag ihre fünf Minuten Ruhm. Und fast immer werden aus den fünf Minuten dann zehn. Bei fast jedem. Eigentlich immer.

Ist es da ein Wunder, wenn auch der interessierteste Zaungast allmählich in einen leichten Dämmerschlaf fällt? Die Leute kommen schließlich, um die Politiker aus der Nähe zu erleben, die sie sonst nur aus dem Fernsehen kennen, Menschen wie Brüderle, wie Peer Steinbrück oder Jürgen Trittin. Bis die aber an der Reihe sind, haben andere, zumeist deutlich schlechtere Redner das Publikum schon müde geredet. Der eine geht dann hinaus, um eine zu rauchen, die andere tippt gelangweilt auf ihrem Handy herum. Uns Reportern geht es da nicht anders: Irgendwann siegt die Müdigkeit über die Aufmerksamkeit. Auch wir greifen dann gerne zum Smartphone.

Umso mehr freuen wir uns über eine Kandidatin wie Gerda Hasselfeldt. Nachdem bei einem Auftritt in der Hallertau schon vier Parteifreunde vor ihr gesprochen hatten, zeigte die   Landesgruppenvorsitzende der CSU Mitgefühl mit ihrem Publikum. "Sie stehen ja schon so lange", sagte sie und tat das, was Politiker sonst nie tun: Sie fasste sich kurz - und halbierte ihre Rede.

Montag, 2. September 2013

TV-Duell mit Currywurst

Von unserem Korrespondenten Martin Ferber

Die letzten Meter vom S-Bahnhof Adlershof zum Fernsehstudio werde ich gefahren. Thomas Strobl, der stellvertretende CDU-Vorsitzende und Chef der Südwest-CDU aus Heilbronn, der ebenfalls auf dem Wege zum TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück ist, hält an und nimmt mich spontan in seinem Wagen mit. So komme ich ein paar Minuten schneller ins Studio, wo zwei Stunden vor Beginn des Duells bereits viel los ist.
Fürs leibliche Wohlergehen ist für die Gäste und Beobachter gesorgt. Direkt vor dem Studio hat "Curry 36" eine mobile Bruzzelbude aufgebaut, wo es die legendären Currywürste gibt, daneben schenkt eine Berliner Brauerei ihr Bier aus, drinnen gibt es frische Pasta mit verschiedenen Soßen und die Südliche Weinstraße bietet Wein und Sekt an. Die früheren CDU-Generalsekretäre Peter Hintze und Ruprecht Polenz sowie der amtierende General Hermann Gröhe sind begehrte Gesprächspartner und geben ihre Einschätzungen zu Besten, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen plaudert entspannt mit Parteifreunden, Finanzminister Wolfgang Schäuble ein paar Meter weiter ebenso, Umweltminister Peter Altmaier twittert, was das Zeug hält.

Eher spärlich sind die Sozialdemokraten vertreten, der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig, der als früherer Pressesprecher Steinbrücks den Kanzlerkandidaten wie kaum ein anderer kennt, ist stets umringt. Im Getümmel sind auch Promis wie die Schauspielerin Uschi Glas, der frühere Tennisstar Michael Stich, Ex-Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder oder "Prinzen"-Sänger Sebastian Krumbiegel und die DJane Marusha zu sehen, die es sichtlich genießen, dass so viele Kameras auf sie gerichtet sind.
Ach ja, um Politik geht es auch. 90 Minuten verfolgen die rund 800 Gäste gespannt und aufmerksam das Duell auf den Großbild-Monitoren. Anfangs jubelt der Peer-Steinbrück-Fanclub der SPD noch bei jedem Satz, den der Kanzlerkandidat einigermaßen korrekt zu Ende bringt, doch je länger sich die Auseinandersetzung zieht, umso ruhiger werden seine Anhänger. Nur Generalsekretärin Andrea Nahles erregt sich lautstark, dass Merkel viel mehr Redezeit erhalte als der Herausforderer, dies sei eine klare Benachteiligung.
Etwa 20 Minuten nach 22 Uhr taucht Angela Merkel kurz mit großem Gefolge bei ihren Anhängern auf. Wolfgang Schäuble gratuliert ihr, Ursula von der Leyen herzt sie. Auf die Frage eines Journalisten, wer denn das Duell gewonnen habe, antwortet sie spontan: "Ich glaube, Deutschland hat gewonnen." Und schon ist sie wieder weg. Von Peer Steinbrück hingegen ist nichts mehr zu hören und zu sehen, er zieht sich mit seinen Anhängern zurück, wohl wissend, dass er zwar nicht verloren, aber doch nicht wirklich gewonnen hat.
Schnell leert sich das Studio. Draußen gibt es noch immer Currywürste und Bier. Zum S-Bahnhof Adlershof muss ich laufen.
Immerhin, die Curry hat geschmeckt. Und in spätestens vier Jahren gibt's wieder ein Duell. Wer sich dann wohl gegenübersteht? Sigmar Gabriel und Angela Merkel? Hannelore Kraft und Ursula von der Leyen? Oder Horst Seehofer und Winfried Kretschmann? Das ist das spannende an der Politik, dass es immer wieder anders kommt als man denkt.

Freitag, 30. August 2013

Personenkult bei den Piraten

Von unserem Korrespondenten Rudi Wais

Unter den hunderten von Mails, die jeden Tag die elektronischen Briefkästen von uns Korrespondenten verstopfen, ist mir eine in dieser Woche besonders aufgefallen.  Anita Möllering, die Sprecherin der Piraten, hat eine Datei verschickt, in der sie die Spitzenkandidaten in den 16 Landesverbänden vorstellt. Bis dahin dachte ich, den Freibeutern der Politik sei jeder Personenkult so fremd wie einst den Grünen, die ihre ersten Abgeordneten aus Angst vor Machtmissbrauch und Ämterhäufung noch dazu zwangen, nach zwei Jahren wieder aus den Parlamenten zu rotieren.  Bei den Kandidaten der Piraten dagegen könnte man glatt meinen, sie bewerben sich um eine Rolle in einer Vorabendserie von SAT 1 und nicht um ein Mandat im Bundestag.  Die Hohepriester der reinen Lehre sind auf dem Boulevard gelandet.
Da ist, zum Beispiel, Susanne Wiest aus Mecklenburg-Vorpommern. Geboren in Dillingen an der Donau steigt "die große schlanke Frau mit den dichten, rotbraunen Korkenzieherlocken und den großen grünen Augen" nach der Wende aus, kauft einen alten Zirkuswagen und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern sechs Jahre "ohne fließend Wasser und Strom"  auf 18 Quadratmetern. Oder Bruno Kramm, der Spitzenkandidat aus Bayern, angeblich eine anerkannte Größe in der alternativen Musikszene:  "Feuerrotes Haar, schwarzer Cowboyhut, schwarzer Anzug, dazu schwere Boots." Der polyglotte Franke, heißt es, "ist markant, impulsiv, fordernd."  Sebastian Nerz dagegen, der in Baden-Württemberg auf Platz eins der Landesliste antritt: Das glatte Gegenteil! Der Naturwissenschaftler wird uns als "sachlicher, ruhiger Mensch" verkauft, "der Probleme gerne objektiv und faktenorientiert bewertet." In seiner Freizeit, das wissen wir jetzt auch,  ist er häufig im Wald anzutreffen oder beim Tauchen - "auch unter Wasser."
Wie der nette Herr Nerz das mit dem Tauchen über Wasser macht, verrät uns der Pressedienst der Piraten leider nicht. Dafür ahnen wir allerdings schon, mit welcher Abgeordneten am wenigsten zu spaßen ist, falls die notorisch mit sich selbst beschäftigte Partei es wider Erwarten doch in den Bundestag schaffen sollte. Cornelia Otto aus Berlin ist nicht nur "jung attraktiv, klug, redegewandt - auf den ersten Blick also kein Nerd."  Sie kann auch Kung Fu.   

Freitag, 23. August 2013

Früher war alles besser

Von unserem Korrespondenten Martin Ferber

Liegt's am Alter, dass man die Vergangenheit verklärt, oder war früher tatsächlich alles besser? Dies ist mein siebter Bundestagswahlkampf, den ich als Berlin-Korrespondent beobachte, verfolge und analysiere, aber bis heute mag er mich nicht wirklich vom Stuhl reißen. Zäh ziehen sich die Tage.

Früher dagegen, ja früher, da war alles anders. Und besser. 1990, das Jahr der Wiedervereinigung, Helmut Kohl gegen Oskar Lafontaine, hier der Kanzler der Einheit, der "blühende Landschaften" versprach und in den neuen Ländern wie ein Pop-Star gefeiert wurde, da der Napoleon von der Saar, der vor den gigantischen Kosten warnte, was niemand hören wollte. Da flogen die Fetzen. Oder 1998, Gerhard Schröder gegen Helmut Kohl, nach 16 Jahren Schwarz-Gelb herrschte im ganzen Land ein Gefühl von Aufbruch, Neuanfang, Ende der Lähmung, die Menschen strömten zu den Kundgebungen. Oder 2002, Edmund Stoiber gegen Gerhard Schröder, ein Kampf zweier Alphatiere, die sich nichts schenkten, Süden gegen Norden, Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün, das erste TV-Duell in der Geschichte der Republik, Spannung bis zur zweiten Hochrechnung. Und schließlich 2005, das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Angela Merkel und Gerhard Schröder, das erst in der Elefantenrunde entschieden wurde, als Schröder seine Herausforderin so heftig attackierte, dass der Union gar nichts anderes übrig blieb, als sich mit der fast gescheiterten Kanzlerkandidatin zu solidarisieren.

Ja, das waren noch Wahlkämpfe. Und heute? Von Wechselstimmung keine Spur, kein Aufbruch und auch kein Neuanfang, hier eine Kanzlerin und eine Koalition, die einfach weitermachen wollen, da ein Herausforderer, der keine wirkliche Machtoption hat und wie der Hase im Wettrennen mit dem Igel stets feststellen muss, dass die Amtsinhaberin längst da ist. Am ehesten erinnert mich der Wahlkampf an das Jahr 1994, Helmut Kohl gegen Rudolf Scharping, eine matte Union setzte alles auf ihr populäres Zugpferd, den Kanzler, die SPD hatte den falschen Kandidaten, Schwarz-Gelb erzielte eine knappe Mehrheit. Ob's am Ende wieder so kommt? Am Abend des 22. September sind wir schlauer. Bis dahin verfolge ich weiter den Wahlkampf - der mit Sicherheit noch an Fahrt gewinnen wird -, beobachte und analysiere. Und spätestens in 20 Jahren werde ich dann im verklärten Blick zurück schwärmen, wie spannend doch 2013 das Duell Angela Merkel gegen Peer Steinbrück war, denn früher, ja früher, da war alles besser.


(XR)

Mittwoch, 21. August 2013

Steinbrück: Ganz auf Schwarz-Gelb gepolt

Von unserem Korrespondenten Rudi Wais, Berlin

Irgendwann muss man sich auch als Korrespondent entscheiden. Ist mir mein Verein wichtiger, in diesem Fall  der FC Augsburg - oder der Kanzlerkandidat? Im April, kurz vor dem Parteitag der Sozialdemokraten, war ich schon einmal mit ihm verabredet. Damals hatte sein Verein, der aus Dortmund, meinen  gerade mit 4:2 geschlagen.  Diesmal gewinnt die Borussia wenige Tage vor unserem zweiten  Gespräch  sogar mit 4:0. Deshalb, lieber Peer Steinbrück: Das nächste Interview führen wir entweder in der Winterpause oder rechtzeitig vor dem Rückspiel. Sonst  steigt der FCA unseretwegen noch ab.

Der Kandidat selbst macht trotz anhaltend schwacher Umfragewerte einen aufgeräumten Eindruck. In Fußballfragen, schmunzelt der Mann, der das Land mit einer rot-grünen Koalition regieren will, sei er ganz auf schwarz-gelb gepolt. Mit uns Medienmenschen hadert Steinbrück zwar noch immer  - vor allem, wenn wir uns so unsere Gedanken über sein kompliziertes Verhältnis zu Parteichef Sigmar Gabriel machen. Am Ende des Gesprächs jedoch, nach knapp einer Stunde,  ist er schon wieder etwas versöhnlicher gestimmt.

Irgendjemand hat Steinbrück  eine Kiste voller Schokolade ins Willy-Brandt-Haus geschickt, die jetzt in seinem Vorzimmer steht.

"Wie viele Kinder haben Sie denn", fragt er. "Drei? Dann nehmen sie für jedes ein Stück mit."

Dabei sind wir Journalisten Steinbrück ähnlich suspekt wie seiner Kontrahentin, der Kanzlerin. Anders als Gerhard Schröder, der sich nur allzu gerne in der Aufmerksamkeit der Medien sonnte, hält er es eher mit seinem Mentor Helmut Schmidt, der Reporter einst als "Wegelagerer" beschimpfte. Im Moment allerdings sind nicht die  Beobachter und  Berichterstatter Steinbrücks Problem - sondern der Genosse Gabriel, der offenbar eine Art persönlichen Nebenwahlkampf gestartet hat. Steuern rauf? Oder doch runter? Verglichen mit dem jüngsten Durcheinander in der SPD ist die von Borussia  Dortmund auseinander genommene Abwehr des  FC Augsburg noch eine geordnete Formation.